Zum Inhalt springen

Seite:Friesische Sagen und Erzählungen.pdf/20

Faan Wikipedia
Detdiar sidj as efterluket wurden.
– 4 –


man oft den Probst von Hörnum nannte, an
Sonnabend-Nachmittagen die Jugend in Rantum exa-
minirte in den Catechismuslehren der chriſtlichen Reli-
gion*), dann lief ich unterdeß nicht selten zu den eben-
genannten oder zu andern alten Weibern Rantums und
examinirte sie über altfriesiche Sagen und Geschichten
oder horchte mit großer Aufmerksamkeit der Weisheit
Sieven Takens zu Rantum, welcher von altsylter
Landvögten abzustammen, und von denselben viele merk-
würdige Documente und Papiere geerbt zu haben behaup-
tete, welcher, obgleich er selber nicht schreiben konnte,
nur — wie man zu sagen pflegte — Krötenaugen und
Krähenfüße malte, dennoch stets zum Zeichen ſeiner gei-
stigen Thätigkeit und Genauigkeit eine Gänsefeder hinter
dem Ohre trug und sich sogar rühmte, daß er zuerst
Ordnung und Accuratesse in Rantum eingeführt habe.**)
Er war übrigens ein genügsamer und origineller Mann,
der Jedem ohne Unterschied und ohne Ausschmückung zu
sagen pflegte, was er eben dachte, durch welchen mithin
Mancher bittere Wahrheiten erfuhr. Als ich ihn das
lezte Mal in Rantum besuchte, war sein Haus in
dem Grade mit Flugsand überschüttet, daß das westliche
Ende desselben bereits in einer Düne steckte und nur das
östliche Ende noch sichtbar und vom Sande frei war.

---

   *) Mein Vater war Schul- und Navigationslehrer in We-
sterland auf Sylt, ging aber an jedem Sonnabend-Nachmittage
nach dem eine Meile südlicher, auf Hörnum, gelegenen kleinen
Dorfe Rantum, um die dortige Jugend zu unterrichten.

   **) Rantum ist der einzige, von Menschen noch bewohnte kleine
Ort auf Hörnum. Früher gab es der Dörfer dort mehrere und
größere; sie sind aber alle bis auf Rantum durch Sandflug und
Fluthen untergegangen.